Peru: 15 Mal so groß wie Österreich, aber nur 3,5 Mal so viele Einwohner. Reich an glorreicher Geschichte, aber mindestens ebenso erfahren an vernichtenden Niederlagen. Das goldene Reich der Inkas, heute ein verarmtes Land. Alex und ich begeben uns nicht nur auf eine intensive Reise durch die Anden, sondern auch auf ein kulturelles Abenteuer.

1. Etappe: Chaclacayo (Lima) - Matucana (50 KM, 1.750 HM)

Die Anreise hat bestens geklappt, das Empfangskomitee des Hotels steht am Flughafen Lima bereit. Am nächsten Tag machen wir die Räder fahrtüchtig, lassen uns aus der Smog-verseuchten Stadt bringen und steigen in Chaclacayo auf die Räder - natürlich erst nach einem ausgibigen MIttagessen.

Die ersten beiden Tage haben wir ohnedies keinen Zeitdruck, wir wollen uns erst langsam an die Höhe herantasten. Der Weg führt uns dabei immer entlang der lange Zeit höchsten Eisenbahnstrecke der Welt. Matucana, unser erstes Etappenziel nach 50 Kilometern Anstieg liegt auf rund 2.400 m.

2. Etappe: Matucana - Casapalca (43 KM, 1.650 HM)

Es folgen weitere 43 Kilometer ausschließlich bergauf. Mein persönlicher Horror beim Radfahren waren immer schon Tunnels. In Peru manifestieren sich diese Angstzustände in Form von stockdunklen "Löchern" (insgesamt sechs auf dem Weg bis Ayacucho), in die man einfährt und nur hoffen kann, dass der von hinten nahende Lkw überhaupt Scheinwerfer hat.

Da es in Chicla schlicht und ergreifend kein Quartier gibt, übernachten wir in Casapalca auf rund 4.100 Meter. In der Unterkunft hat es gemessene sieben Grad, außer einem Bett und unseren Rädern geht sich nicht viel aus. Geschlafen wird mit Mütze.

3. Etappe: Casapalca - Jauja (145 KM, 800 HM)

Noch 15,5 Kilometer fehlen uns bis zum Abra Ticlio (4.818 m). Mit rund 130 km ist der Anstieg auf diesen Pass der längst der Welt. Natürlich kann man die Strecke auch in nur zwei Abschnitten fahren, allerdings sollte man dabei den extremen Höhenunterschied, die frühe Dunkelheit (ab 18 Uhr) und die nicht immer vorhandenen Quartiere berücksichtigen!

Ein Grund weshalb wir den Pass nicht schon am Vortag überquert haben: Die nächste Übernachtungsmöglichkeit wäre die Stadt Oroya gewesen, das Zentrum des peruanischen Bergbaues. Hier wird vor allem Blei, Kupfer und Zink abgebaut. Oroya zählt zu den zehn am stärksten verschmutzten Orten des Globus, kein Platz zum Verweilen.

Wir schlagen unsere "Zelte" lieber in Jauja auf, einem beschaulichen Ort samt ausgezeichneter Infrastruktur und dem Hostal "Manco Capac", das von einer deutschen Entwicklungshelferin aufgebaut wurde. Bild rechts: Wenn man genau schaut, sieht man, dass der Bus den Lkw überholen will. Vor der Kurve. Ohne Sicht. Offener Mund. Staunen. Der Fahrer hat den Vorgang schließlich doch abgebrochen.

Jauja

Weil uns Jauja so gut gefällt, bleiben wir einen Tag und dürfen die Unabhängigkeitsfeiern (1821) hautnah miterleben. Auf dem Hauptplatz wird getanzt und der Befreiung von spanischer Kolonialherrschaft gedacht. Die Blasmusik spielt 24 Stunden lang ein und dasselbe Lied, die Musiker werden von Mal zu Mal betrunkener.

4. Etappe: Jauja - Izuchaca (120,5 KM, 750 HM)

Bestens erholt starten wir in den nächsten Abschnitt und werden dabei lange Zeit von zwei einheimischen Radfahrern begleitet. Einmal fahren sie hinter uns, dann wieder vor uns, neben uns, bleiben aber unaufdringlich. In Huancayo machen sie sich erbötig, uns auf dem schnellsten Weg durch die Stadt zu begleiten. Wir nehmen an, spendieren ihnen ein Mittagessen und fahren alleine weiter.

Landschaftlich verändert sich die Ebene in ein sanftes Hügelland, das stetig höher wird. Den Alto de Imperial (3.925 m) merken wir kaum. Erst die Abfahrt nach Izuchaca lässt deutlich werden, dass wir doch bereits mitten in den Anden sind. Erstmals liefern wir uns auch ein Wettrennen mit der untergehenden Sonne.

5. Etappe: Izuchaca - Huancavelica (80 KM, 1.830 HM)

IWir bewegen uns weiter zwischen 3.000 und 4.000 Metern Seehöhe. Die Straßen sind in einem ausgezeichneten Zustand, das Wetter ist ein Traum ,der Verkehr fließt spärlich. Einzig und allein die streunenden Hunde machen uns immer wieder zu schaffen. Von weit her rasen sie wild bellend auf uns zu, würden uns am liebsten fressen, sind dazu aber doch zu feig.

Nicht nur die Tiere "freuen" sich über unseren Anblick, auch die Kinder sind hellauf begeistert, sich mit uns ein Wettrennen liefern zu können. Wir passieren den (selbst getauften) Abra de Escalera (3.820 m/oft nur "Paso" genannt) und den Abra Ayaccocha (4.130 m). Es folgen ewig lange Kilometer auf dem Bergrücken, die schließlich in einen weiteren namenlosen Pass münden. 20 Kilometer dahinter liegt Huancavelica.

6. Etappe: Huancavelica - St. Ines (80 KM, 1.300 HM)

Es sollte einer der Höhepunkte der Tour werden und wurde beinahe zum Alptraum. In Huancavelica endet die Straßen-Glückseeligkeit, von nun an rattern Alex und ich auf schlechten Schotterwegen voller Schlaglöcher dahin.

Wir fahren zu spät weg, kommen dann wesentlich langsamer voran als wir dachten, werden von einem umgestürzten LKW blockiert... Für die 56 Kilometer bis zum Abra Chonta (4.853 m) benötigen wir rund sieben Stunden! Den rund 200 Meter höher liegenden Abra Huyaraccasa (höchster Pass des amerikanischen Kontinents) vor Augen müssen wir schweren Herzens die Abfahrt in Angriff nehmen, denn wir haben nur noch eine halbe Stunde Tageslicht.

Aus Gewichtsgründen haben wir natürlich nur eine Lampe mitgenommen. Also leuchtet Alex den Weg, ich hefte mich an sein Hinterrad. Schon längst hätten wir die Ortschaft erreichen müssen, werden hinter jeder Kurve, nach jeder Kuppe aufs Neue enttäuscht. Es wird kälter und kälter. Bei stockdunkler Nacht schaffen wir es schließlich nach St. Ines. Zweieinhalb Stunden für 22 Kilometer...

7. Etappe: St. Ines - Arizona (131 KM, 1.000 HM)

St. Ines bei Tag ist an Trostlosigkeit kaum zu überbieten, also nichts wie weg! Langsam gewöhnen wir uns zwar an die holprige Strecke, sind aber trotzdem froh, endlich wieder betonierten Boden unter den Reifen zu spüren.

Der blaue Himmel zieht langsam zu, schwere Wolken belagern jene Richtung in die wir fahren. Noch ist es trocken, doch beim Anstieg auf den Abra Apacheta 4.746 m) fallen erste Schneeflocken.

Der Niederschlag wird stärker, die Berge kleiden sich langsam in weiß und wir mittendrin. Je höher wir kommen umso größer wird die Ungewissheit wie kalt es auf über 4.700 m sein wird... Ohne lange Pause verabschieden wir uns wieder ins Tal, "übersehen" in der Dämmerung unser geplantes Etappenziel und landen schließlich in einem heimeligen "Zimmer" in Arizona (das Kaff heißt tatsächlich so...).

8. Etappe: Arizona - Ayacucho (43 KM, 500 HM)

Erst als wir auf dem Abra Yanabamba (3.900 m) stehen, wird uns bewusst, wie viel zu weit wir am Vortag gefahren sind. Wir genießen den gewonnenen halben freien Tag in Ayacucho und lassen's uns richtig gut gehen!

Ayacucho

Wir treffen folgende Entscheidung: Da die Straßen ab Ayacucho wieder unbefestigt sein sollen und wir Cusco daher niemals rechtzeitig erreichen würden, besteigen wir den Flieger in die ehemalige Inka-Hauptstadt. Von dort wollen wir dann Richtung Titicaca-See und Bolivien (Heimflug von La Paz) weiterradeln.

Zunächst aber genießen wir ein Paar Tage ohne Räder und lassen die fremde Stadt auf uns wirken.

Cusco

Schon der Flug über die Anden ist ein wunderschönes Schauspiel, das nur noch gekrönt wird von Cusco. Man spürt die leidvolle Geschichte der vor rund 800 Jahren gegründeten Inkastadt. Während Erdbeben den perfekt erreichteten Grundmauern nichts anhaben konnten, überdauerten nur wenige Zeugnisse der einstigen Größe die spanischen Eroberer.

Die Spanier raubten alles Gold und Silber aus der Stadt und rissen Tempel und Paläste nieder. Auf den alten Grundmauern errichteten sie ihre Kirchen. Gleichzeitig endete damit auch eine Herrschaft, die Menschenopfer darbrachte und selbst mit äußerster Brutalität gegen ihre Feinde vorging. Das ist die andere Geschichte der stolzen Inkas.

Macchu Picchu

Der "Vistadome" bringt uns nach Aguas Calientes hinunter, dem Ausgangspunkt für die Besichtigung Macchu Picchus. Die weltberühmte Ruinenstadt der Inkas liegt so gut auf einem Bergrücken verborgen, dass sie von unten nicht zu sehen ist. Umso beeindruckender ist dann der Blick auf das Plateau samt seiner hunderten Häuser und Terrassen.

Wir erkunden jeden Winkel, schließen uns den zahlreichen Führungen an und sind schließlich die allerletzten Besucher. Erst ohne Touristen strahlt der mysteriöse Ort seine ganze Ruhe und Kraft aus. Den Abend verbringen wir in einer der heißen Quellen (Wasser) des gleichnamigen Ortes im Tal.

9. Etappe: Cusco - Sicuani (150 KM, 1.000 HM)

Zeit wird's wieder einmal die Räder zu besteigen, um die letzten Etappen runterzuspulen. Die Landschaft wird eher eintönig, der Verkehr nimmt immer mehr zu und die Hunde werden immer lästiger.

10. Etappe: Sicuani - Ayaviri (118 KM, 900 HM)

Der Abra la Raya (4.338 m) ist unweigerlich der letzte Anstieg unserer Reise. Danach folgt die Straße auf dem "Altiplano" nur einer Devise: "immer geradeaus" und wenn möglich mit Gegenwind.

11. Etappe: Ayaviri - Puno (144 KM, 430 HM)

Nachträglich hätten wir uns die Straße nach Puno lieber erspart. Wegen des Schwerverkehrs fahren wir oft auf dem sandigen und tiefen Bankett, die Straße selbst ist schwer beschädigt und die frei herumlaufenden Hunde werden zum echten Problem. Abgesehen davon läuft uns wieder einmal die Zeit davon.

12. Puno - Juli (85 KM, 300 HM)

Zwar liegt Puno bereits am Titicacasee, wir sehen davon jedoch (noch) nichts. Erst im Laufe des Tages kommen wir dem höchsten schiffbaren Gewässer der Erde (3.810 m) näher, dann führt die Straße wieder ins Landesinnere.

13. Juli - Copacabana (64 KM, 450 HM)

Nur noch 64 Kilometer bis Copacabana, dem sportlichen Endpunkt unserer Tour. Der Grenzübertritt nach Bolivien erfolgt in Kasani, die Behördenwege sind erstaunlich unkompliziert. Der Sonnenuntergang über dem Titicacasee ist der krönende Abschluss einer 1.250 Kilometer langen Tour, die uns ein faszinierendes Land voller Traditionen gezeigt hat.

La Paz

Mit dem Bus setzen wir über den See über und verbringen eine Nacht in La Paz, ehe wir nach Europa zurückfliegen. Damit ist auch das letzte Kapitel meiner Radfahrgeschichte zu Ende. Vorerst. Hasta Luego!

Strecke: Chaclacya (Lima) - Ayacucho; Cusco - Copacabana, 1.250 Kilometer

Pässe: Abra Chonta (4.853 m), Abra Ticlio (4.818 m), Abra Apacheta (4.750 m), Abra la Raya (4.338 m), Abra Ayacocha (4.130 m), Alto de Imperial (3.925 m), Abra Yanabamba (3.900 m), Alto de Escalera (3.820 m)

Höhenmeter: 12.160

Wissenswertes: Akklimatisierung unbedingt nötig - Auffahrt auf Abra Ticlio nicht unterschätzen! - Streunende Hunde sehr lästig (am besten wird man sie los indem man schreiend oder laut klingelnd auf sie losfährt) - Temperaturen unter Tags warm, am Abend rasch kälter - Verfplegung unterwegs ausreichend - Straßenverhältnisse teilweise perfekt, dann wieder extrem schlecht (vor Ort informieren) - Autoverkehr eher rücksichtslos - Einreise nach Bolivien recht formlos, Beamte sehr freundlich - Wichtig: Einbruch der Dunkelheit während der Wintermonate bereits ab 18.00 Uhr!